Die vierte Woche

Die Nacht in dem Bauwagen meiner Beiden Gastgeber ist erholsam und das anschließende Frühstück außerordentlich lecker.

Es ist schon nach elf Uhr als ich mich auf den Weg mache. Das Tagesziel heißt Schwedt an der Oder und der Tag verspricht schön zu werden. Es läuft besser als erwartet und ich beschließe, nachdem ich schon am späten Nachmittag Schwedt erreiche, noch ein wenig weiter zu fahren.

Eine gute Entscheidung. Den idyllische Oderradweg habe ich praktisch für mich alleine und ich träume durch die wundervolle Landschaft. Mit der Dämmerung kommt dann Regen auf und ich bin froh, als ich am Wegesrand einen netten, alternativ angehauchten Campingplatz entdecke. Schnell springe ich noch unter die Freilichtdusche und danach in meinen Schlafsack. Der Regen verstärkt sich und ich schlafe zufrieden ein.

Als ich am Morgen erwache regnet es noch immer. Schnell husche ich von meinem Zelt hinüber zum überdachten Frühstücksplatz, wo ein üppiges Bio-Frühstück mit allen nur erdenklichen Köstlichkeiten angeboten wird. Geschlagene zwei Stunden sitze ich da und schlage mir den Bauch voll, immer in der Hoffnung der Regen möge bald nachlassen. Wo man auch hinsieht haben sich dicke Pfützen gebildet und der Gedanke an Weiterfahrt ist wenig romantisch.

Hilft ja alles nichts sage ich mir irgendwann, beiße auf die Zähne und radel los. Über Frankfurt/Oder kämpfe ich mich weiter in Richtung Guben und der Regen hört schon bald auf. Am Abend finde ich einen Campingplatz in Forst/Lausitz. Als ich grade dabei bin mein Zelt aufzubauen schnürt ein Fuchs vorbei, bleibt in ca. fünf Metern Entfernung stehen, schaut mich kurz an und setzt dann seinen Weg gemütlich fort. Es dauert nicht lange, da sehe ich den Schein einer Taschenlampe im Dunkel zwischen den Kieferstämmen. Ein aufgebrachter Mann kommt strammen Schrittes direkt auf mich zu: „Haben sie den Fuchs gesehen?“ fragt er mich ohne große Umschweife. „Ja“ sage ich „ist grade hier vorbeigekommen“. „Dieser Racker hat mein komplettes Grillgut auf dem Gewissen!“ Leise lache ich in mich hinein und gehe erheitert in die Nachtruhe.

Der nächste Morgen hält ungewöhnliches für mich bereit: Krakauer Würstchen. „ Hat mir mein Kollege eben vorbeigebracht, sind ganz frisch“ erzählt mir die Campingplatzbesitzerin sichtlich stolz und hält mir eine Tüte mit den Würstchen unter die Nase. Wolln se n‘ paar? Um nicht unhöflich zu sein, nehme ich mir eine und verzehre sie mit einiger Überwindung. Rührei und frische Brötchen wären mir zwar lieber gewesen, aber besser als nüscht.

Mein ertses Ziel an diesem Tag lautet Rakotzbrücke in Kromlau. Sie ist eine beliebtes Ausflugsziel, liegt inmitten eines Landschaftsparks  und zieht insbesondere Fotografen in Ihren Bann.

Lange halte ich mich an diesem wundervollen Ort auf und genieße die Atmosphäre, bevor ich über Weißwasser an den Rand eines sagenhaft riesigen Tagebaugebiets gelange. Im Tagebau Nochten werden bis zu 18 Millionen Tonnen Braunkohle im Jahr gefördert und seine Ausmaße sind von wahrhaft gigantischer Natur. In der Nähe der Abbruchkante läuft ein hervorragender Radweg auf dem ich für einige Kilometer mutterseelenalleine dahinpedalliere. Es dauert aber nicht lange und ein altbekannter dieser Tage gesellt sich zu mir, mein Freund der Regen.

Bis Bautzen versuche ich meinen Begleiter so gut als möglich zu ignorieren, bevor ich entnervt und durchnässt die städtische Jugendherberge aufsuche.

Der Morgen des nächsten Tages begrüßt mich mit Sonnenschein. Über Sebnitz geht es durch das Elbsandsteingebirge nach Tschechien hinein. Steile Anstiege führen mich bis auf 700 Meter hinauf, wo ich umhüllt von Nebel und Nieselregen fast ein wenig friere. Trotz des vielversprechenden sonnigen Starts in den Tag, gewinnen allmählich die Wolken an überhand und hinter Teplice setzt mal wieder kräftiger Regen ein. Für eine kurze Wegstrecke finde ich in einem Rennradfahrer einen Leidensgenossen der mich ein Stück des Weges begleitet. In Most reicht es mir dann aber endgültig und ich beschließe den Tag in einer netten, kleinen Pension.

Mit zwei „Ruhetagen“ in Aussicht mache ich mich Tags drauf schon früh auf den Weg. Waldmünchen heißt das Tagesziel, ist gut 175 Kilometer entfernt und gefühlt ebensoviele Höhenmeter. Ständig geht es auf und ab und als sei dies noch nicht genug, weht ein außerordentlich kräftiger, in Böen stürmischer Wind von vorne. Verbissen stelle ich mich allen Widrigkeiten, trete wie besessen in die Pedale und überquere mit letzter Kraft den Hauptkamm des Bayrischen Waldes mit gut 800 Metern. Noch 7 Kilometer Abfahrt dann bin ich in Waldmünchen, dem Wohnort meiner älteren Schwester. Dort falle ich erschöpft und glücklich in die Sofakissen, mit dem festen Vorsatz mich die nächsten zwei Tage ganz sicher nicht zu bewegen.